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DAS VERRATENE MEER, Staatsoper Wien, 23 September 2021 - 19:30

Details

  • Kategorie: Operas
  • Event: DAS VERRATENE MEER
  • Datum/Zeit: 23 September 2021 - 19:30
  • Veranstaltung: Staatsoper Wien
  • Adresse: Opernring 2, 1010 Wien / Vienna (Map)
  • Andere Termine: Alternative Termine

KARTEN UND PREISE

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Description


›Er‹ ist Seemann, Schiffsoffizier bei der japanischen Handelsmarine, ›sie‹ ist eine reiche, schöne, junge (wahrscheinlich Krieger-) Witwe. Die beiden verlieben sich natürlicher- und middle class gemäßer Weise ineinander. Er will deswegen sogar banaler Weise abmustern und sie heiraten – wer aber dagegen ist, intensiv und mit Hass und Verachtung und aus verschiedenen kindlich-pubertären Gründen, das ist Noboru, Madame Fusakos halbwüchsiger Sohn.« So umreißt Hans Werner Henze (1926–2012) die Ausgangssituation seiner 1990 uraufgeführten Oper Das verratene Meer.

Mit der Wahl des Sujets folgt Henze seiner Faszination für das Schaffen des enfant terrible der japanischen Nachkriegsliteratur Yukio Mishima (1925–1970), dessen Roman Gogo no Eiko (auf Deutsch erschienen unter dem Titel Der Seemann, der die See verriet) der Oper zugrunde liegt. Dieser Roman entwirft, wie nahezu alle Schöpfungen dieses Autors, ein klaustrophobes Szenarium der Ausweglosigkeit, in dem das Ringen um Normalität zum Scheitern verurteilt ist: Die Spannungen des Figurendreiecks werden im grauenhaften Lynchmord einer Jugendbande eskalieren.

Die nahezu gleichaltrigen Künstler Henze und Mishima teilten die Traumatisierung durch faschistische Systeme, deren Zusammenbruch bei beiden eine geradezu entfesselte künstlerische Produktion freisetzte, sie aber auch auf Extrempositionen des politischen Spektrums katapultierte, wie sie gegensätzlicher kaum denkbar sind: Henze trat der Kommunistischen Partei Italiens bei, Mishima wurde zum ultranationalistischen Revisionisten, der nach einem gescheiterten Putschversuch den rituellen japanischen Freitod starb.

Seinen sehr besonderen Standpunkt zwischen Tradition und Avantgarde hat Henze einmal mit Bezug auf das Theater formuliert: »Theater, genau wie Musik, muss immer wieder neu erfunden werden und lebt doch von Jahrhunderten der Erfahrungen, die uns befeuern, herausfordern, um sich zerstören zu lassen, um uns zu steigern, anzutreiben. Nichts wird ausgerichtet mit der gekonnten Form, der gelungenen Formulierung …, aber auch nichts mit Verneinung, Entsagung, Enthaltung, aber alles kann ausgerichtet werden durch Entäußerung, ungeachtet der Folgen, ungeachtet des Gelächters der Altklugen.« Seine freitonale Partitur knüpft an musikdramatische Gestaltungsprinzipien in der Tradition eines Richard Strauss an. In sie eingebettet ist eine hochdifferenzierte Sprachregie, die vom Schönberg’schen Sprech- bis zum Koloraturgesang alle stimmlichen Register zieht. Neben Geräuschklängen integriert der Komponist – anknüpfend an Verfahrensweisen Alban Bergs – auch Elemente der Unterhaltungs- und Tanzmusik.

Zentrales Anliegen der Partitur ist zudem eine plastische Figurencharakteristik, deren Durchführung einer je eigenen Instrumentengruppe anvertraut ist: Das musikalische Porträt von »Madame Fusako«, Direktrice eines exklusiven westlichen Modegeschäfts in Yokohama, hat Henze mit einer spezifisch »pariserischen« Note versehen und mit dem Streichorchester grundiert. Dem Offizier Ryuji sind die Blasinstrumente zugeordnet – darunter auch ungewöhnliche wie Kontrabassklarinette, Sopransaxophon und Tenorposaune –, die seine Verbindung zum Klang des Meeres herstellen, während seine Gesangslinie mit »baritonaler, edler aber durchschnittlicher Sentimentalität« ausgestattet ist. Für Noboru hingegen werden die perkussiven Ostinati einer von Klavier, Celesta, Harfen und Schlagzeug skandierten »Klavierstundenmusik« zum Exzess geführt. Das Quintett der Jugendbande umfasst das Spektrum der Männerstimmen vom Countertenor bis zum Bass, wobei deren Ensemblesätze an Techniken der frühbarocken Madrigal- Tradition anknüpfen. Das luxurierende Orchester verleiht in symphonischen Zwischenspielen dem Titelhelden eine Stimme: dem zürnenden »verratenen Meer«.

Mit Das verratene Meer debütierte das Regieteam Jossi Wieler/Sergio Morabito 2020 an der Wiener Staatsoper, an der Seite der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock, mit der gemeinsam sie weltweit bereits über 20 Opern inszeniert haben. Unter der scheinbar realistischen Oberfläche des Geschehens ertastet ihre Aufführung paranoide Wahrnehmungsstrukturen und spürt den Gefährdungen und der Zerbrechlichkeit von Identität nach.

Die Sopranistin Vera-Lotte Boecker hat gerade auch durch ihre Darstellung von Henze-Partien wie der Natalie im »Prinzen von Homburg« oder der Autonoe/Proserpina in den »Bassariden« international auf sich aufmerksam gemacht. Mit der Fusako erweiterte sie die Reihe ihrer Henze-Heldinnen. Der in Wien etablierte dänische Bariton Bo Skovhus kehrte mit seinem Rollendebüt als Ryuji an den Mittelpunkt seines künstlerischen Wirkens zurück. Der junge kanadische Tenor Josh Lovell, seit 2019/20 Mitglied im Solistenensemble der Staatsoper, ist Noboru. Die Musikalische Leitung liegt in den Händen von Simone Young, die damit an ihr erfolgreiches Engagement für die musikalische Moderne im Haus am Ring anknüpft.

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